Erstellt am: 01.03.2022 10:01
Von: Pfr. Tobias Weimer, Matthäuskirche Backnang


Aufmerksam sein

Nachfragen. Zuhören. Machen.


Ich habe ein Video gesehen, das mich fasziniert hat. Da werden Kinder interviewt. Sie sind vielleicht in der vierten oder fünften Klasse. Immer zu zweit. Sie erzählen, warum sie befreundet sind, was sie aneinander gut finden. Ein Mädchen sagt über ihre Freundin: „Ich mag sie, weil sie so ein bisschen verrückt manchmal ist.“ Bei anderen Kindern fallen Worte wie: „Zickig“ und dann wird erst mal gegrinst. Ganz unterschiedlich beschreiben sich die Kinder gegenseitig. Ganz verschiedene Dinge finden sie aneinander gut. Aber egal, was sie sagen: Sie strahlen immer über beide Ohren, kichern in sich hinein oder lachen laut.

Dann aber werden sie auf einmal leise. Die Stimmung kippt. Bei der Frage, ob die Kinder auch zusammen auf den Spielplatz gehen. „Ne, da steht Paul ja nur rum, das macht ja keinen Sinn“, sagt ein Junge über seinen Freund. Paul sitzt nämlich im Rollstuhl. Ein Mädchen im Rollstuhl sagt: „Und man kann auch nicht in den Sand fahren, weil da alles stockt. Und ich denk mir dann manchmal auch: toll …“

Der Interviewer lässt sich nicht beirren. Er fragt weiter. „Mal angenommen, ihr könntet euch ein Spielgerät ausdenken, das ihr gemeinsam benutzen könnt. Wie wäre das?“ Die Kinder reißen die Augen auf und ihre Ideen sprudeln nur so, die Stimmung steigt wieder. Die Worte schaukeln sich hoch, die Kinder überschlagen sich vor Ideen.

Vier Wochen später. Die Kinder wurden wieder eingeladen und sie können es kaum glauben: Das Filmteam hat ihre Ideen umgesetzt, ganz neue Spielgeräte gebaut. Jetzt können sie tatsächlich miteinander auf dem Spielplatz spielen. Paul, im Rollstuhl, kann mit seinem Freund schaukeln. Ein Mädchen ohne voll ausgebildete Unterarme und Hände kommt endlich ohne Hilfe zur Rutsche hoch und vieles mehr.

Mich berührt das Video sehr. Die strahlenden Augen der Kinder, die endlich wahrgenommen werden. Gehört werden. Und ich frage mich: Was kann ich als Erwachsener davon in meinen Alltag mitnehmen? Vielleicht ist es genau das: Aufmerksam sein. Und wenn jemand abgehängt wird: Nachfragen, wie es anders gehen könnte. Zuhören. Machen.

Pfr. Tobias Weimer, Matthäuskirche Backnang


Weitere Wortbeiträge finden Sie hier...