Erstellt am: 07.12.2011 17:30
Von: Albrecht Häcker, Pfarrer in Allmersbach i.T.


Ungewisse Zukunft

Der lange Weg, der Esel und seine Herrin ...


Behutsam setzt der Esel einen Huf vor den anderen. Die vielen Packen auf seinem Rücken lassen ihn ahnen: Diesmal geht die Reise weiter als nur zum nächsten Markt und wieder zurück. Dazu trägt er eine besondere Last: seine Herrin. Doch sie, die immer so schön schlank war und sich in graziler Leichtigkeit wie schwebend bewegte, wiegt ungewohnt schwer. Mühsam erscheint jeder Schritt. Immer wieder streicht sie sich, mal zärtlich, mal mit schmerzverzerrtem Gesicht, über den runden Bauch. Was soll das wohl werden? fragt sich der Esel. Er ist, wie alle wissen und es auch sagen, ein dummes Tier. Eines, das gerade mal zum Lastenschleppen taugt und sich nicht einmal gegen Schläge wehrt. Seine einzige Chance, sich zu wehren, ist seine Bockigkeit. Doch niemand erkennt darin ein Alarmzeichen für sein Ruhebedürfnis. Dafür schreit man ihn an und triezt ihn mit Stockhieben, bis er seine müden und überreizten Knochen wieder in Bewegung setzt. Heute aber ist alles anders. Sein Herr nutzt den Stock nur, um sich selbst zu stützen. Auch er trägt seine Päckchen mit sich, und das nicht wenige. Auch er sieht so aus, als wüsste er nicht, was morgen sein wird. Der Esel ahnt die Sorge, die seinen Herrn umtreibt: um die Herrin mit dem dicken Bauch, um den unbekannten langen Weg, um die ungewisse Zukunft. Doch er, der dumme Esel, hält sich nicht lange an den Fragen auf. Behutsam setzt er einen Huf vor den anderen. Immer der Nase nach, ohne Hetze, ohne Getriebenwerden. Er weiß, dass er sich auf seinen Herrn verlassen kann. So folgt er ihm ohne zu murren oder zu bocken. Auch ohne selbst zur Eile anzutreiben. Seine langjährige Erfahrung lehrt ihn ohnehin, dass er mit Gelassenheit und innerer Ruhe mindestens genauso weit kommt und ebenso schnell am Ziel ist wie unter ungesunder Hetze. Nur dass er dann viel ausgeruhter ist. Was wird am Ende des Weges auf sie warten – auf ihn, den Esel, auf Maria, seine Herrin, und Josef, seinen Herrn? Und was wird wohl aus Marias Bauch?

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