Erstellt am: 19.11.2011 11:08
Von: Pfr. Ulrich Kloos, Kath. Kirche Backnang


Tiefe menschliche Sehnsucht

Das Gespür für Heilige Orte


Ist es in unserer aufgeklärten, vom Verstand so durchdrungenen Zeit möglich, dass Menschen ein ganz feines Gespür für heilige Orte haben? Manchmal bin ich wirklich erstaunt, wie trotz aller Aufgeklärtheit so etwas zu finden ist, wie Menschen kommen, mir sagen, ob ich mit ihnen in der Kirche beten kann oder mich bitten, ihnen den Segen Gottes zuzusprechen, weil sie sich hier in der Kirche so geborgen fühlen, - Menschen aller Konfession und Religion übrigens. Ja, diese Erfahrung darf ich - Gott sei dank - immer wieder machen, auch in einer Zeit, in der sich viele von Glaube und Kirche entfremdet haben. Für mich ist es fast ein Wunder, dass so etwas auch an einem Ort in der Nähe von Magdeburg geschehen konnte, wo der Glaube an Gott fast ausgelöscht schien. Vier von hundert Kindern sind dort getauft. Es ist der kleine Ort Helfta. Dort sind seit 1999 wieder Schwestern angesiedelt. Zisterzienserinnen, die aus Bayern kamen. Sie haben die Klosterruine von Helfta wieder aufgebaut, die Kirche wieder aufgebaut, und inzwischen ist daraus ein lebendiger, geistlicher Ort geworden, zu dem viele Menschen kommen, um dort im Glauben Kraft zu tanken. Bis zur Wende 1989 war in den Ruinen und restlichen Gebäuden des seit 1342 zerstörten Klosters eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft untergebracht. Bei meinem ersten Besuch berichtete mir eine Bewohnerin von Helfta: „Immer wenn sie auf dem Weg zur Arbeit mit anderen Frauen durch den Torbogen des Klosters gingen, hätten sie geschwiegen. Sie hätten gespürt, hier ist ein heiliger Ort.“ Das 1229 gegründete Kloster Helfta ist als Zentrum der mittelalterlichen Frauenmystik vor allem durch Gertrud von Helfta berühmt geworden. Die lebendige Gottverbundenheit dieser Mystikerin ist an diesem Ort lebendig geblieben, auch noch mehr als 770 Jahre nach der Gründung. Die Wiedererstehung dieses Klosters ist für mich mehr als ein Wunder. Es zeigt, dass in der Beziehung zu Gott eine unendliche Kraft liegt, und dass Orte, wo diese Beziehung gepflegt und gelebt wird, diese Kraft ausstrahlen. Die Mystikerin Gertrud von Helfta, deren Gedenktag die Katholische Kirche am 17. November feiert, kann uns Mut machen, dieser tiefen, menschlichen Sehnsucht nach der Gegenwart Gottes zu trauen. Sei das an einem Tag mit vollem Terminkalender unterwegs in der Stadt oder im Urlaub. Wie oft bietet sich die Gelegenheit eine Kirche zu besuchen und dann auch die Gelegenheit zu ergreifen, still zu werden, und sich in die Gegenwart Gottes hineinzugeben. Pfarrer Ulrich Kloos Kath. Kirche Backnang

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