Erstellt am: 31.03.2021 13:30
Von: Pfrin. Ulrike Heinrich, Backnang-Sachsenweiler


Evangelische Freiheit

Manchmal ist Wurst mehr als nur Wurst.


Manchmal ist Wurst mehr als nur Wurst. In der Passionszeit im Jahr 1522 spielte sie in Zürich eine wichtige Rolle und wurde zum Symbol der Schweizer Reformation. Was für die deutsche Reformation der Luthersche Thesenanschlag war, stellte in Zürich das Wurstessen dar. Gleich am ersten Sonntag der vorösterlichen Fastenzeit, am 9. März 1522 wurde im Haus des Druckers Christoph Froschauer Wurst gegessen und somit das geltende Fastengebot bewusst und provozierend gebrochen.

Der Theologe und Reformator Huldrych Zwingli konnte es bezeugen, auch wenn er selbst seinen Wursthunger nicht stillte. Als faule Ausrede brachte man einen wichtigen Druckauftrag an, der nur mit „Mus“ im Bauch nicht zu bewältigen war. Aber vordergründig wollten der Druckmeister und seine Gehilfen, auf dem Hintergrund von Zwinglis Predigten, die sie sehr angesprochen hatten, die evangelische Freiheit ausleben und öffentlich zeigen. Dabei ging es nicht ums Fasten an sich, das ja seinen guten Grund und Nutzen haben kann, sondern die Zürcher Wurstesser wollten deutlich machen, dass das Fasten der damaligen Zeit zur reinen Kultpraxis verkommen war und eigentlich keinen Glaubenshintergrund mehr hatte. So wollten sie auf die Gnade Gottes hinweisen, die man sich nicht verdienen muss durch irgendwelche fromme Taten und Pflichten, sondern die man ganz umsonst - und eben auch ganz ohne zu fasten – geschenkt bekommt. Dadurch wurde die Wurst zu einer symbolischen Demonstration für die Freiheit eines Christenmenschen und für Gottes bedingungslose Liebe.

Als dieses Wurstessen bekannt wurde, ordnete der Rat von Zürich gleich eine Untersuchung an und Zwingli predigte darüber, was er dann auch als Sermon veröffentlichte, der schon an Gründonnerstag im Druck erschien: „Vom Erkiesen und Fryheit der Speysen“. Die Wurst wurde also zum öffentlichen Anstoß, was Befürworter und Gegner veranlasste, sich zu beschimpfen und zu verprügeln.
Einige Zeit ging es hoch her, bis ein Jahr später alle Fasten-Gesetze aufgehoben und die Gnade und Liebe Gottes in den Vordergrund gestellt wurden.
Wir sind aktuell noch mitten in der Passionszeit, morgen ist Palmsonntag und die Karwoche beginnt. Wenn wir uns also Karfreitag und Ostern nähern, sollten uns nicht Ängste, Pflichten oder Werke beschäftigen, sondern die Liebe – mit der Jesus uns liebt – die Liebe, die ihn den Weg ans Kreuz gehen ließ – die Liebe, durch die wir frei sind.

Pfarrerin Ulrike Heinrich, Ev. Kirchengemeinde Sachsenweiler und Steinbach


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