Erstellt am: 07.09.2009 08:06
Von: Pfrin. Judith Bergmann, Oppenweiler


Zart wie ein Spinnenfaden

Das Wort Gottes wird sichtbar über den Abgründen des Leben...


In der anbrechenden Dämmerung beobachte ich eine kleine Spinne, die sich emsig an ihrem Netz zu schaffen macht. Seit einigen Tagen schon zieht sich das Spinnennetz über das Fenster. Geduldig hat die Spinne das Netz Faden um Faden gewoben, und ich staune, wie belastbar und haltbar es ist, obwohl es doch nur aus einem dünnen und eigentlich leicht reißbaren Faden besteht. Und doch ist der Faden so stark, dass er das ganze Körpergewicht der Spinne halten kann. An ihrem eigenen Faden kann sich die Spinne aus hohen Höhen sicher und ohne Angst zu Boden lassen. Sätze aus einem der Gedichte von Anneliese Müller kommen mir in den Sinn: „In die Tiefe, aus der ich zu dir rufe, schickst du dein Wort. Zart wie ein Spinnenfaden hängt es über dem Abgrund… Es wird mich herausreißen aus der Tiefe, in der ich zu dir rufe.“ Das Wort Gottes, zart wie ein Spinnenfaden, das ist ein schöner Vergleich. Wie oft erklingt das Wort Gottes heute nur leise und wird kaum noch gehört, ja manchmal sogar überhört – und doch ist es in über 2000 Jahren nicht zum Verstummen zu bringen. Das Wort Gottes, überliefert in der Bibel, ist alles, was wir haben, um etwas von Gottes unendlicher Liebe zu den Menschen zu erfahren, die in Jesus Christus selbst Mensch geworden ist. Das Wort Gottes ist sichtbar geworden in einem schwachen Menschen, der die tiefsten Tiefen des menschlichen Lebens am eigenen Leib erfahren hat, der schwach und einsam war, und doch zugleich so stark und mächtig, dass er die Macht des Todes gebrochen hat. Das Wort Gottes hält. Das Wort Gottes hält, auch dann wenn alles um mich herum in Frage gestellt ist, auch dann, wenn ich das Gefühl habe, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Dann kann mir ein Wort aus der Bibel zum Zuspruch werden, der in mir neuen Mut, Zuversicht und Hoffnung weckt, der mir einen neuen Horizont eröffnet, mir Trost spendet und mich spüren lässt: „Du bist nicht allein. Ich bin bei dir und halte dich.“ Auch wenn es nur leise erklingt, dem Wort Gottes wohnt – wie dem Spinnenfaden - eine unglaubliche Kraft inne, die alles verändern kann. Pfarrerin Judith Bergmann, Pfarramt Oppenweiler-Ost

Weitere Wortbeiträge finden Sie hier...